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Wie Vater seine Katze bekam.

26 Feb

Eines Morgens bei Kaffee und Zeitung kommt ihm die Idee. Das Marmeladenbrot mit Quark lässt er auf dem Holzschneidebrett, das vom häufigen Benutzen in der Mitte schon eine Einkerbung hat, einfach liegen. Er steht auf, stellt seine karierten Hausschuhe im Flur vor den Schrank, zieht seine linke Tennissocke etwas zurecht, steigt dann in die Turnschuhe, streift die dunkelgrüne Jacke mit den Goldknöpfen über, die mal seinem Vater gehört hat und verlässt das Haus. Er schließt die Haustür nie ab. Er hat außen eine Klinke, jeder kann einfach hereinkommen. Viele verstehen das nicht oder halten es schlicht für nicht möglich. Sie bleiben wie angewurzelt draußen stehen und klingeln immer wieder, selbst, wenn er von innen „Komm rein, wenn du Kuchen dabei hast!“ ruft.

Die Luft ist schon recht warm, die Sonne ist eben über den Hügel mit den kleinen Schrebergärten hinter der Bahnlinie gekrochen. Man hört den kleinen Bach plätschern, der direkt hinter seinem Haus vorbeifließt.

Ein paar Meter weiter die Straße hoch betritt er die Tierarztpraxis Stein, die sich schon seit Jahren in dem hellblauen Haus mit den weißen Sandsteinrahmen um die Fenster befindet. Die Ärztin kennt ihn gut, obwohl er kein Kunde bei ihr ist. Sie sind schon ewig perdu, das ist ja direkte Nachbarschaft.

Es sind noch keine Frauchen und Herrchen mit Körbchen, Käfigen oder Leinen da, die Tür zum Behandlungsraum steht offen.

„Moin Hermann. Was machstn du hier?“

„Du“, sagt er, „ich hab mir überlegt, so ne Katze, das wär was für mich. Wir hatten 16 Jahre einen Hund, aber davor hatten wir lange eine Katze. Die wurde damals vom Schäferhund des Nachbarn geholt.“

„Du willst eine Katze?“, fragt sie, räumt ein paar Tupfer in eine Schale und desinfiziert sich danach die Hände.

„Du kennst doch hier aufm Dorf jeden. Wenn du mal von wem hörst, der einen Wurf Junge hat, denkste mal an mich, ja?“

„Aber was für ne Katze magste denn?“
„Na ja“, überlegt er, „auf jeden Fall noch ne ganz Kleine. Und vielleicht eine mit nem hübschen Fell. So weiß und dann bunte Flecken wär schön. Und natürlich gesund. Gesund muss sie sein.“

„Aha. Ja ok. Ich schau dann mal und meld mich dann. Kann aber dauern.“
„Eilt nicht“, pfeift er und trottet zufrieden durchs Wartezimmer wieder nach draußen.

Zuhause spült er das Geschirr, schmeißt eine Ladung Weißwäsche in die Maschine und holt neues Feuerholz aus dem Schuppen, als das Telefon klingelt.

„Ich habe eine Katze für dich!“, flötet sie fröhlich.

„Wie?“

Er ist doch etwas sehr erstaunt. Es ist kaum eine Stunde vergangen.

„Ja, ein Fundtier. Komm doch mal rüber.“
„Was für ne Katze ist es denn genau?“
„Ähm, komm doch mal rüber jetzt.“
„Karola, ist es ein Jungtier?“

„Joa…also…komm doch einfach mal.“

Er traut der Sache nicht.

„Wie sieht sie denn aus? Hübsches Fell?“
„Sicher, sicher. Also bis gleich.“

Dann legt sie auf.

Das ist ja komisch, denkt er. Dann stellt er seine karierten Hausschuhe im Flur vor den Schrank, zieht seine rechte Tennissocke etwas zurecht, steigt dann in die Turnschuhe, streift die dunkelgrüne Jacke mit den Goldknöpfen über, die mal seinem Vater gehört hat und verlässt das Haus.

Zwei Minuten später steht er wieder in der Praxis. Vor ihm hockt eine Katze.

„Sie wurde im Waldstück neben dem Krankenhaus gefunden.“

„Aha.“

Die ist doch quasi ausgewachsen.

„Sie hat gerade erst geworfen. Die Jungen sind aber alle schon weg.“

„Aha.“

Grau-braun. Dunkelgrau und braun! Wenn man ganz genau hinguckt, erkennt man zwischendrin Ansätze eines getigerten Fells.

„Ein Bekannter hat sie aufgegriffen. Dem ist schon länger aufgefallen, dass sie da rumstreunert.“

„Aha.“

Irgendwie sieht die ja ziemlich abgemagert aus.

„Aber ich wollte doch…“

„Ich weiß doch nicht, wohin mit ihr jetzt. Die kommt sonst ins Tierheim.“

„Aha.“

Er schaut mit zusammengekniffenen Augen prüfend das Wesen vor sich an. Das wiederum interessiert sich nicht im Geringsten für diesen Typen mit Vollbart und gestreiftem Flanellhemd und blickt statt dessen etwas arrogant an die Decke. Klassisch Katze eben.

„Ist sie wenigstens gesund?“
„Ja klar. Topfit.“

Er seufzt erleichtert.

Die Ärztin dreht sich kurz zu ihrem Schreibtisch und hält dann eine kleine Dose in der Hand.

„Also…wenn du ihr die nächsten drei Monate zweimal am Tag diese Tabletten unters Futter mischst.“

„NA HÖR MAL!“, regt er sich auf.

„Ich wollte eine junge Katze. Mit hübschem Fell. Und gesund. Und dann komm ich extra noch mal rüber und was willst du mir da andrehen? Eine Katze, die älter ist und schon ein Muttertier. Und dann auch noch grau-braun, also bitte. Und dann soll ich der noch ewig Medikamente geben? Haste mir nicht zugehört vorhin? Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was ich wollte.“

Und damit war völlig klar, was nun passieren würde. Das Schicksal dieses Tieres war besiegelt. Ein für alle mal.

„Find ich klasse. Die nehm ich.“

Das war vor gut 10 Jahren. Er nannte sie Moppes, weil sie so mager war. So als Motivation. Mittlerweile ist sie so dick, dass sie nur noch über den Zaun des Nachbarn kommt, indem sie sich oben festkrallt und dann eine Fettrolle nach der anderen durch Hin- und Herwippen über den Maschendraht bugsiert. So lange, bis sie vorn überkippt. Sie gucken zusammen Tagesschau und Krimi, sie versucht immer, beim Fußball den Ball zu fangen, wenn er seitlich aus dem Bild rollt. Sie schleppte ihm mal eine blutige Taube ins Haus und zerlegte sie unterm Schrank und er durfte alles aufwischen und sie danach auch noch dafür loben. Und sie drängelt sich morgens zwischen ihn und die Zeitung und schleckt den Quark vom Marmeladenbrot, wenn er einfach aufsteht, weil er wieder eine Idee hat.

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