Ich war mir mit dem gelben Kleid nicht ganz sicher, zupfte an dem Stoff herum und stand doch etwas nervöser als ich eigentlich sein wollte in Neumühlen und wartete auf deinen Bus.
Und ich wusste nicht, was mir lieber war. Dieses erste richtige Date heute, das man verabredet hatte, auf das man sich vorbereiten konnte…oder doch die vorherige sehr spontane Variante, die du ein paar Tage zuvor gewählt hattest, indem du mir einfach völlig aus dem Nichts an einem Mittwoch Nachmittag deinen Standort geschickt hattest à la „Moin. Bin umme Ecke. Komm mal her.“ Bewirkte damals zwar einen Puls jenseits von gut und böse bei mir und ich hab dich mehrfach dafür verflucht, mich so zu überfallen…aber am Ende brachte ich dich mit deinem Arm um meine Schulter noch zur Bahn, interpretierte deinen Blick mit „Du überlegst, ne?“ offensichtlich richtig und wich deinem Kuss-Versuch – wie ich finde – äußerst elegant aus. Und das war nicht mal seltsam, sondern fühlte sich völlig entspannt und lustig und vielversprechend an. Du fuhrst damals völlig geplättet nach Hause. Ich schickte einer Freundin auf dem Heimweg eine Sprachnachricht und meinte – und hey, das ist für mich schon hochgradig begeistert: „Also…joa, ne? Glaub, den würd ich schon noch mal treffen.“
Du fragtest gleich am Tag drauf, wie viel Vorlaufzeit ich denn bräuchte, um mich auf ein erneutes Treffen mental vorzubereiten und nun stand ich da an diesem Sonntag Abend.
„Das kannst du doch nicht machen.“, grinst du, als du aus dem Bus steigst.
„Was denn?“
„So da stehen und so aussehen.“
Ok, das Kleid war wohl doch ne gute Wahl. Wir spazieren den kleinen Fußweg oberhalb des Elbstrandes zurück, die Nervosität weicht nach und nach entspannter Plauderei. Aber diese innere Anspannung, die einen immer wieder zum Grinsen bringt, die blieb. Das sollte auch so. Schon im Garten umarmst du mich von hinten, als wir vorne am Geländer stehen. Vor uns der Hafen mit dicken Pötten, Volleyballspielern im Sand, Nachbarn hinter der Hecke, gerade beim Abendessen, die Sonne machte sich so langsam bereit, die Szenerie zu verlassen. Hamburg at it’s best. Und wir mittendrin. Diese zwei Menschen, die sich gerade erst begegnet waren.
Es war faszinierend. Ich, die zu diesem Zeitpunkt zu einer Expertin in Sachen „sich nicht mehr auf jemanden einlassen wollen“ mutiert war, fühlte keinen spontanen Fluchtreflex, wie bei anderen Dates davor. Die Nähe war gut. Angenehm. Bisschen viel, bisschen schnell, aber so stellte sich auch nicht die Frage „Mag der mich?“ – daran hast du von Anfang an keinen Zweifel gelassen. Woher auch immer du diese Sicherheit nahmst.
Mit Picknickdecke und Sushi saßen wir dann da, der Wein war viel zu süß, wir lachen viel und als wir für diesen Text hier neulich überlegten, worüber wir da eigentlich so gesprochen haben, fiel uns kaum noch was Konkretes ein. Einzelheiten verschwimmen viel mehr in einem wohligen Gefühl, das dieser ganze Abend auslöste. Ohne Essensboxen zwischen uns, rutschte man nach einer Weile dann auch näher zusammen, unter einer Decke mit Harmonie und viel in die Augen gucken.
Was witzig war (mehr für mich als für dich): wir hatten davor schon übers Küssen gesprochen (eigentlich total verrückt, dafür, dass wir uns erst ein Mal gesehen hatten). Und ich hatte dich damals gebeten, mir diesen Zeitpunkt zu überlassen (harte Challenge, i know). Es hatte was Leichtes, was Spielerisches, war aber genau so natürlich und unausweichlich klar, dass es passieren würde. Und obwohl dieser Augenblick von Anfang an und zwischendurch den ganzen Abend über locker einzubauen gewesen wäre, wartete ich ab. Gespräche – oder präziser: unsere Gespräche, weil irgendwie special – konnten ebenso anziehend sein. Wenn Kommunikation zwischen zwei Menschen funktioniert – das ist unfassbar sexy.
Es wurde später und auch kühler und keiner wollte, dass dieses krasse Ding, was hier ablief, wegen einer Uhrzeit oder Witterung zu Ende geht. Und da wir ja beide so sehr erwachsen und vernünftig sind und du im Vorfeld angemerkt hattest, den Tag darauf noch frei zu haben…tja nun…wurden kurz danach alle Sitzpolster und Decken, die wir im Gartenhäuschen finden konnten, auf dem Boden ausgebreitet und ein Nachtlager errichtet. Und ja, ich rede immer noch von unserem zweiten Treffen. Verrücktheitsgrad drölfzig, aber das passte einfach zu dieser ganzen Geschichte.
Du hattest auf deinem iPad den animierten Kurzfilm über den kleinen Strandläufer „Piper“ dabei – da hatte ich dir beim ersten Treffen eine Geschichte zu erzählt. Eingekuschelt im Dunkeln, mit Blick auf die Lichter des Hafens, unser kleines Kino. Schon ziemlich perfekt. Ich springe zwischendurch noch mal hoch in die Wohnung, um den Katern, auf die ich die Tage aufpasste, noch mal Futter hinzustellen, mich umzuziehen und stehe dann Haare kämmend am Fenster, schaue auf den Garten unten, dass du da jetzt wartest und überlege, was du wohl grade denkst.Verdammt. Das ist was, glaub ich. Dieses Gefühl, sich von allem, was da kommt, einfach mal überrollen zu lassen – auch, wenn man das so noch nie erlebt hat, aber innerlich weiß, dass es was Gutes ist. Den Katern noch ne lieb gemeinte Kopfnuss geben und dann wieder die Treppen runter.
Wieder im „Schlafgemach“ sage ich gerade irgendwas zu dir, als du dein Versprechen brichst, mich plötzlich am Arm an dich ziehst und küsst. Hast es nicht mehr ausgehalten – kann man dir nicht übel nehmen. Und trotz der offensichtlichen Nähe, die sich über Nacht ergab, war da auch ein Gefühl, diesem Menschen innerlich einen Schritt näher zu kommen. Na ja, nicht nur einen Schritt – wir rannten schon fast.
„Bis über beide Ohren…“, flüsterst du mir irgendwann zu.
Zwischen Schlafträumen, dahin dösen, kuscheln, auf den Hafen gucken, kichern, zu hartem Boden, Haare wuscheln und dem anderen beim Schlafen zuhören verging die Zeit, bis es draußen hell wurde, Hunde unten am Strand die Morgenrunde drehten.
Nachdem ich das Gefühl vom Pfadfinderlager früher, wenn man morgens völlig verstrahlt aus dem Zelt fällt, abgeschüttelt hatte, machten wir uns auf in die Strandperle zum Frühstück. Danach griffen wir uns zwei Decken und lagen den halben Tag im Schatten an einem meiner Herzorte in Hamburg am Elbstrand. Kühlten uns im Wasser ab, kletterten über Bäume, wurden von einer Ente beobachtet, ich schlief in deinem Arm einfach noch mal ein. Derbe vertraut, obwohl so neu – das Alles.
Beim Zurücklaufen halte ich dir meine Hand nach hinten hin, das ist dir in Erinnerung geblieben. Gutes Zeichen. Du machst zwei große Schritte und greifst sie dir.
Nachdem ich dich später zum Zug geschickt hab, stehe ich wieder oben am Fenster, betrachte den kleinen Notizblock, den du mir geschenkt hast, weil ich beim ersten Treffen erwähnte, dass ich oft Sachen vergesse, die man mir erzählt, ich das aber nie böse meine und den dazu passenden Rotstift (weil Lehrerin). Ich hatte dir eine Packung Wasserbomben besorgt – wir hatten schon Insider, Metaphern, die man in kleine Aufmerksamkeiten umsetzen konnte. Krasse Sache. Ich puste ein paar Seifenblasen, die du mir mitgebracht hattest, in die Luft. Die Kater sitzen daneben. Zeit und Raum. Verrückt das Alles.