
Schauen aufs Wasser mit der Stadt im Rücken.
Entzücken uns, so viel und sehr,
die Landungsbrücken
menschenleer.
Damals wie heute,
als wir uns trafen.
Unten am Hafen. Der Himmel mit Wolken zugenäht.
Es war so spät –
manche sagen schon früh.
Die Lichter verglüh’n zwischen Stahl und Metall,
wir werden umhüllt von dem dumpfen Schall,
der durch Container von Blohm und Voss
wellenförmig zu uns floss…
als wir da saßen.
Unten am Hafen. Der Michel schlug fünf,
es nieselte leicht.
Wie Hamburg da doch der Stimmung gleicht.
Die Elbe rauscht zu unseren Füßen
und treibt die Gedanken, die bittersüßen,
nach oben an die Wasserfläche
unsere Stärke und unsere Schwäche,
wie die Eisschollen im Winter rauscht alles vorbei
und über uns bloß Möwengeschrei.
Klang wie Musik in mehreren Octaven.
Unten am Hafen. Es war schon Oktober.

Aber bald bestimmt.
Die Bäume, deren Blattwerk bunte Farben annimmt,
sind dann kahl.
Ich ziehe den Schal von meiner Schulter nach vorn
und blicke dich an
und frag mich: Seit wann
mag ich dich?
Das schlich sich so an,
dieses eine Gefühl.
Mir ist etwas kühl so wie du es warst in den letzten Tagen.
Ein wenig flau im Magen.
Die Fragen plagen und lassen das Herz schlagen
bis hoch zum Kragen.
Es wagen oder doch Verzicht? Wir sind uns beinah nah.
Manchmal ja,
dann wieder nicht.
Durch den Regen bricht sich das Licht
und keiner spricht.
Ein Dickicht von Worten,
bei dem einem schlicht die Durchsicht fehlt? Die Frage steht im Raum,
obwohl wir draußen sitzen.
Wassertropfen spritzen
mir gegen’s Bein.
Sag bitte nicht Nein. (Rückblende 1) Nur ein paar Meter weiter
bist du damals gelaufen,
das Wetter wolkig bis heiter,
ich fuhr dich fast übern Haufen.
Die Ampel war schuld.
In eine Richtung grün, in die andere schon rot,
ich hatte eben Brot vom Bäcker geholt
und fuhr mit dem Rad und Kapuze drüber
noch schnell über die Straße rüber
und sah dich nicht da stehen.
Du konntest dich grade noch weg drehen,
bist getänzelt und gestolpert über die eigenen Schuhe
und geholpert und gefallen und dann herrschte Ruhe
für ein paar Sekunden. … Die alte Frau mit den zwei Hunden,
die täglich ihre Runden dreht
war noch nicht um die Ecke verschwunden,
als du anfingst zu kichern
und mir zu versichern,
dass alles in Ordnung sei.
Ich lehnte mein blaues Rad an die Mauer,
– du warst gar nicht sauer –
und setzte mich einfach zu dir auf den kalten Zement.
Das war der Moment, in dem wir mit frechem Blick in Gelächter ausbrechen,
bis wir Seitenstechen hatten.
Danach aßen wir Baguette.
Das war echt nett. Als Entschuldigung fürs Ganze,
lud ich dich ein dann in die Schanze,
zwei Tage später fand das statt,
da oben gleich am Schulterblatt. Auf Holzbänken unter gelben Schirmen

schirmten wir uns ab von den Leuten
und freuten uns an der Zweisamkeit.
Du sagtest: „Schön, dass wir das machen.“
Über die Welt reden und über Gott lachen.
Bier trinken
und versinken in den Gedanken des andern,
innerlich zueinander wandern.
Neugier wecken
uns mit Worten zudecken,
Gemeinsamkeiten entdecken,
uns gegenseitig necken und auch was einstecken können. Und als die Kerze auf unserm Tisch verglimmt,
ahnen wir beide, das stimmt
zwischen uns.
Könnte sein.
Das könnte echt was sein. — Die Frage steht im Raum,
obwohl wir draußen hocken.
Die Glocken schlagen 5mal etwa
Sag bitte Ja. Wir sitzen hier,
du erzählst mir von deinen
Gedanken an mich,
bei denen du dich,
je mehr Zeit vergeht,
man es wendet und dreht
mal ganz offen gesagt,
fragst, was du denn wirklich willst.
Und dabei überquillst in Gedanken. Vieles, meinst du, fiel vielleicht leichter,
würde man nicht immer Worte gebrauchen,
es zu beschreiben.
Die bleiben nicht auf Dauer
genauer würden sie grau und grauer.
Dagegen mit kleinen Gesten und Taten
könne man durchwaten durch Gefühle wie bei Ebbe durchs Meer. Mir ist, als ob da Nähe wär‘.
Sich nicht nur wenig nach dir sehnen.
Ich möchte mich anlehnen,
nein, ein klein wenig mehr sogar
das ist mir nun klar,
ich möcht‘ mich zuneigen
zu dir.
Nicht mehr mauern,
lieber Vertrauen schenken
mit ’ner hübschen Schleife dran
und hoffen, dass du es aufreißt
und weißt, was damit anzufangen. (Rückblende 2) Am Dienstag drauf fuhren wir raus
zum Strand.
Du nahmst meine Hand und wir stapften
mit Sand in den Schuhen Richtung Abendsonne.
Unter den Bäumen, deren Äste fast bis zum den Boden reichen,

die Blätter leicht über den Strand streichen,
schleichen wir herum wie die Tiger
auf der Suche nach Beute.
Egal, was die Leute denken.
Wir spielen Fangen,
schwangen und sprangen von den Ästen
wie die Kinder es tun.
Nun. Ist nicht verkehrt.
So unbeschwert. Spazieren weiter und gehen
bis wir die Villen von Blankenese sehen.
Eine ganz schöne Strecke.
Wir setzen uns gleich hinter einer Ecke
an einer herbstbunten Hecke
auf die Decke, die du dabei hast.
Wir lachen viel, du fährst mir durchs Haar
und legst sogar deine Hand mir aufs Knie.
Ein bisschen Magie.

Du nimmst eine Muschel aus dem Sand
und legst sie mir vorsichtig auf die Hand
da unten am Strand. Wir beobachten Wellen,
hören weiter hinten Hunde bellen.
Nur wir zwei unter vielen,
ein bisschen verbales Ping-Pong spielen
und während die großen Schiffe vorbei schwammen
saßen wir beide eng beisammen
und erzählten uns Gedichte von Heinz Erhardt. Wir fühlen uns frei,
die Elbe hat heut etwas Nordsee dabei.
Der Wind weht frisch
und es riecht nach Urlaub, Salz und Fisch. Mit der letzten Fähre tuckern wir müde zurück
und mit dem Gefühl, uns noch ein Stück
näher gekommen zu sein.
An den Landungsbrücken stehen wir dann – ganz allein –
und lächeln in die Nacht als wäre das völlig normal.
Ich ziehe meinen Schal über die Schulter nach vorn
und blicke dich an
und dann
trittst du zu mir heran,
berührst mich am Arm,
mir wird schlagartig warm
und dann küsst du mich.
Du küsst mich
und ich küss‘ dich
und alles, was vorher der Unsicherheit glich
zerbricht und schlich sich leise davon. Jegliches Zeitgefühl verlor’n
steh’n wir da, den Moment eingefror’n,
da nebelhornt wie aus dem Nichts die Queen Mary 2
an uns vorbei.
Wir zucken zusammen und müssen lachen,

als ob sie uns frug,
mit vorwurfsvollem Bug,
was wir denn hier bitte für Sachen machen.
Alles in uns aufgewühlt,
wissen wir grade, wie sich Glück anfühlt. Du bringst mich noch bis vor die Tür
ich spür‘, wie dein Herz schlägt,
als wir uns umarmen.
Ich dreh mich um und die Gedanken tragen mich
von drauß‘ die Stufen durchs Treppenhaus
hinauf in meine Wohnung und ins Bett.
Doch die Stadt ließ mich nicht schlafen.
Nach dieser Sache am Hafen. — Die Frage steht im Raum,
obwohl wir draußen sind.
Der Wind weht von dort nach hier.
Was sag denn ich eigentlich dir? (Rückblende 3) Tage nichts von dir gehört
und das zerstört das, was wir hatten.
Und es stört mich, dass du nichts machst
und mir das was ausmacht. Was lief falsch? Wo war der Fehler?
Wandere über Gedankenberge und durch Gefühlstäler.
Alles war doch gut gewesen,
hatte ich falsch zwischen deinen Zeilen gelesen?
Diese Fragen, dicht an dicht,
warum meldest du dich nicht? Diese bangen Fragen, die sich schlangen
um Hals und Wangen und mich dazu bringen,
zu springen in die Angst.
Dass du mir weh tust wie die vor dir.
Wie all die vor dir. Um für Ablenkung zu sorgen,
über den Abend bis weit in den Morgen
gibt es in Hamburg nur einen Plan:
Reeperbahn.
Mit Freunden ins Getümmel stürzen,
verkürzt die Stunden
und die Wunden
werden mit Wein betäubt
das zerstäubt die Gedanken,
die aufgescheuchten,
die im Neonlicht zu leuchten versuchen. Mit Pommes an der großen Freiheit
verzeiht man sich selbst seine Naivität
und beginnt zu verdrängen
zwischen den Klängen,
sich durch Enge und Menge an Menschen zu drängen,
Gedanken nachhängen und nachrennen
gelänge einem eh nicht mehr.
Die Augen schließen und alles fließen lassen.
Die miesen Krisen aus den eigenen Synapsen reißen,
nicht mehr drum kreisen,
Gefühlswaisen, die statt zu schlauchen,
einfach untertauchen. Und erst wieder aufblitzen,
als wir unten am Wasser sitzen

und schauen,
wie sie am Fischmarkt aufbauen.
Ich bin grade dabei, in meiner Tasche zu kramen,
als ich dich meinen Namen sagen hör‘.
Du löst dich aus einer Gruppe von Leuten und kommst zu mir her
ich rutsche vom Geländer, mein Kopf ist ganz leer,
du scheinst dich zu freuen mich zu sehen,
fragst, ob wir ein paar Schritte gehen.
Kann ich verstehen, ist mir auch recht.
Mir ist ein klein wenig schlecht dabei. Und nun sitzen wir hier,
die Frage steht im Raum,
ich trau mich kaum, mich zu bewegen.
Sei nicht dagegen. Du wusstest nicht, wie ich das sehe,
was entstehen könnte, meinst du.
Ich hätt‘ mich zögerlich gezeigt
und eher doch dazu geneigt,
es zu lassen.
Ob’s passen würd?
Keinen blassen Schimmer, aber wenn…
„Was willst du denn?“ Und um meine Zweifel aufzubrechen,
höre ich mich leise sprechen:
„Wir könnten es probieren. Wir müssten uns vertrauen.
Wir sollten brillieren und uns was aufbauen.“
Könnte, müsste, sollte.
Was wollte ich?
Um sich zu lieben,
muss man den Konjunktiv auch mal beiseite schieben.
Sich selbst mit erhobenem Zeigefinger ermahnen,
sich aus dem Zwinger befreien und sich mit dem anderen verzahnen.
Auch wenn’s schief gehen könnt!
Vielleicht gönnt mir das Glück ja auch mal was von sich.
„Du bist mir alles andere als egal“, flüstere ich
und ziehe den Schal von meiner Schulter nach vorn
und blicke dich an
und dann fassen sich unsere Träume an –
ein Moment für die Biografen,
unten am Hafen –
schiebst du den kleinen Finger über meine
und ich bin die Deine.
